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Arthur Smith – Ein Überflug

Seit Freitagabend ist es offiziell bestätigt. Der ehemalige Offensive Coordinator der Tennessee Titans, Arthur Smith, ist unser neuer HC. Es gibt den von uns präferierten offensive-minded HC in Atlanta, der mit seinem Scheme gut zu Matt Ryan passen dürfte. Damit dürften auch Diskussionen um den Verbleib von Ryan vorerst ad acta gelegt werden.

Wie Smiths Werdegang in der NFL ist, wieso Smith gut zu Ryan passt, welche Veränderungen wir erwarten und auf welche offensiven Tendenzen wir uns einstellen können wollen wir nachfolgend beleuchten. 

Werdegang

Fangen wir mit ein wenig Gossip zum Start an. Arthur Smith ist Sohn des FedEx Gründers Frederick W. Smith. Hat zwar nicht viel mit Football zu tun, ist aber interessant zu wissen für den Stammtisch. Seine Familie kommt aus Memphis, Tennessee, womit er quasi ein “Homegrown”-Coach bei den Titans war. Smiths Karriere als Spieler war aufgrund von Verletzungen kurz. Er war an der Highschool ein mehrfach ausgezeichneter Offensive Line Spieler und ging dann an die University of North Carolina, zu den Tar Heels.

In seiner ersten Saison war er Redshirt Freshman und in seiner zweiten Saison 2002 kam er aufgrund einer Fußverletzung nur in einem Spiel zum Einsatz. Diese Verletzung musste operiert werden, weshalb er 2003 die komplette College Football Saison verpasste. Anschließend spielte Smith im Team bis zu seinem Abschluss 2006 keine Rolle mehr. Nach seinem Abschluss stieg er als eine Art wissenschaftliche Hilfskraft ins Coaching ein.

2007 beginnt dann sein Weg in der NFL. Er begann als Defensive Quality Assistant bei den Washington Redskins und hatte diese Position auch 2008 inne. Seine Aufgabe bestand darin die Formationen, Personnelgroups und Tendenzen in Spielsituationen der gegnerischen Offense für die Spielvorbereitung zu analysieren und aufzulisten. 2010 führte ihn sein Weg an die Ole Miss University in ähnlicher Position wie in Washington. 2011 ging es zurück in die NFL und wurde er von Mike Munchak, dem damals neuen HC der Titans, als Defensive Quality Control Coach eingestellt.

Im Jahr darauf wechselte er die Seiten und wurde Offensive Quality Control Coach und war nunmehr für die Analyse der gegnerischen Defensive verantwortlich. Anschließend wird er 2013 O-Line und TE-Assistant und damit mehr in die Vorbereitung bestimmter Positionsgruppen involviert. Von 2014 bis 2015 arbeitet er als Assistant Tight Ends Coach und von 2016 bis 2018 dann als Tight Ends Coach. Anschließend wurde Arthur Smith nach dem Wechsel von Matt LaFleur nach Green Bay, zuvor OC der Titans, zum neuen OC befördert. In dieser Position war er zwei Jahre lang, bevor er jetzt als neuer HC der Falcons vorgestelltn wurde.

Wenn man eine Sache aus der FedEx-Info ableiten möchte, dann vielleicht, dass Smith jederzeit andere Jobs haben hätte können und sich diesbezüglich wohl keine Sorgen machen musste, wie er den Lebensunterhalt verdienen soll. Er wählte die nächtelange, zermürbende, schlecht bezahlte Arbeit als low level Quality Control Guy also freiwillig und aus Leidenschaft. Das könnte für eine Liebe zum Detail und zum Abrackern sprechen, die den Falcons bisher massiv gefehlt hat. In seinen fast 10 Jahren bei den Titans hat er einige Coach-Wechsel überstanden und wurde immer vom neuen HC im Team gehalten. Dies spricht ebenfalls dafür, dass die Arbeit von Smith hochwertig und qualitativ ist.

Offensive Philosophie

Smith hat in Tennessee unter den vier Head Coaches recht unterschiedliche Schemes erlebt, und durfte somit 2019, als ihm die Zügel in die Hand gegeben wurden, aus einer breiten Palette an Ideen wählen. Wofür er sich entschied war ein Play Action lastiges Passspiel mit einem Fundament an outside-zone runs. 

Unter Mike Vrabel und mit Derrick Henry bedeutete das relativ viele early down runs, was uns nicht nur an Dirk den Unaussprechlichen erinnert, sondern auch immer wieder den Titans zum Verhängnis wurde – z.B. zuletzt beim Playoffs-Aus gegen die Ravens. Bei 1st & 10  folgte diese Saison bei den Titans zu 64% ein Run, was eine doch sehr hohe Quote ist. Insgesamt hatten in den beiden Jahren von Smith als OC nur die Ravens mit Lamar Jackson eine höhere Run-Quote. 

Inwiefern diese Philosophie wirklich Smith zugeschrieben werden kann, oder eben ein Produkt ist von Vrabel, einem old school HC, ist allerdings fraglich. Smiths Vorgänger als Titans OC, Matt LaFleur, war ebenso lauflastig unter Vrabel, bevor er als HC in Green Bay dann eine Kehrtwende zu sehr aggressivem frühem Passspiel machte. Sicher ist jedoch, dass dieser Aspekt der Offense Arthur Blank, der immer wieder ein gutes Laufspiel fordert, gefallen hat. 

Die Liebe zur Play Action sowie zur Pre Snap Motion hingegen wären Elemente, die er gern nach Atlanta mitnehmen kann. Hier war Dirk eindeutig völlig unfähig, ein modernes NFL Passspiel zu designen, und Smith scheint hier einfach auf einem anderen Niveau zu sein. Insgesamt nutzte Smith 2019-2020 Play Action bei 33% der Snaps (zweithöchste Quote der NFL), bei early downs waren es 46%, die höchste Quote der Liga.

Alles in allem haben die Titans in den beiden Jahren unter ihm die vierteffizienteste Offense der Liga produziert:

Anzumerken ist vielleicht noch, dass die Titans dieses Jahr nicht gegen allzu viele gute Defenses gespielt haben und gegen die wenigen starken Defense-Reihen so ihre Probleme hatten (nur 17 Punkte gegen die Colts, gegen die Steelers die Offense lange nicht ins Rollen gebracht und in der Wildcard Round gegen die Ravens nur 13 Punkte aufgelegt). Nichtsdestotrotz ist die Bilanz der Titans-Offense in Smith’s beiden Jahren als OC beeindruckend, insbesondere wenn man bedenkt, dass Tannehill eben kein Ausnahme-QB wie Mahomes oder Rodgers ist.

Wie Smith sein Scheme in Atlanta umsetzen wird, muss sich erst zeigen, aber klar ist, dass es keine schematischen Gründe gibt, das Roster völlig umzukrempeln auf der offensiven Seite. Matt Ryan hat unter Kyle Shanahan ein ähnlich aufgebautes, viel auf Play Action basierendes System sehr erfolgreich umgesetzt. Smith ist als Ex-TE Coach auch ein Freund von 12 Personnel, eine Investition in die TE Position wird praktisch unausweichlich sein, aber bereits unter Shanahan hat Ryan sehr viel Erfahrung mit dieser Spielart der West Coast Offense machen können, und sie lag ihm deutlich mehr als die 11-lastigen Full Field Reads unter Dark Bark Koetter.  

Die Implikationen für die Personalplanung der Falcons sind aber durchaus interessant. Die Titans haben 2020 zu 33% mit 12 Personnel (also 1 RB, 2 TE und 2 WR) gespielt, das ist die zweithöchste Quote der Liga. Zum Vergleich: Die Falcons haben 2020 unter Koetter mit 15% nicht einmal halb so viel 12 Personnel gespielt. Nachdem Hayden Hurst der einzige TE mit Starter-Niveau auf dem Roster ist und dieser im Run Blocking große Probleme hatte (bei PFF ist sein Run Block Grade 2020 das schlechteste von 76 bewerteten TEs), erscheint es alles andere als unwahrscheinlich, dass man in der Free Agency oder im Draft weitere Ressourcen in einen TE steckt. 

Die Tendenz zu Formationen mit mehr als einem TE können selbstverständlich auch personalbedingt sein, nachdem die Titans mit Jonnu Smith und Anthony Firkser zwei starke TEs hatten, dennoch ist es auffällig, wie gern Arthur Smith seine TEs nutzt. Neben dem angesprochenen 12 Personnel verwendete er 2020 auch 13 Personnel (9%, dritthöchste Quote in der Liga) und 02 Personnel (2%, vierthöchste Quote der Liga) klar überdurchschnittlich. Wirklich überraschend ist das bei Smith als ehemaligem TE-Coach natürlich nicht. 

Hingegen dürften die Mock Drafts mit einem frühen WR-Pick eher nachlassen. Bei den Titans stand nur zu 40% 11 Personnel auf dem Platz, das ist Rang 31 im Ligavergleich. Smith verwendete hauptsächlich Formationen mit zwei oder nur einem WR, und mit Julio Jones und Calvin Ridley verfügen die Falcons bereits über zwei herausragende Receiver.

Weiterer Lesestoff

The Athletic (enorm empfehlenswerte Subscription) hat gestern noch zwei Artikel zu Smith gebracht, die sehr lesenswert sind:

https://theathletic.com/2326568/2021/01/15/arthur-smith-atlanta-falcons-coach/

https://theathletic.com/2326270/2021/01/15/arthur-smith-atlanta-falcons/

Und in dieser SPOX-Kolumne von Woche 7 – die erste Titans Niederlage der Saison, gegen die Steelers – beschäftigt sich Adrian Franke mit der Frage, ob Smith einen Plan B hat, wenn die Offense mal in ihrem Fundament gestoppt ist: 

https://m.spox.com/de/sport/ussport/nfl/2010/Artikel/top-10-die-wichtigsten-erkenntnisse-aus-woche-7-in-der-nfl-ftr.html?source=nflfranke&utm_referrer=https%3A%2F%2Ft.co%2FpLawcxBdkF%3Famp%3D1

2 Antworten auf „Arthur Smith – Ein Überflug“

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