Es sah lange so aus, als würde es eine aus Falcons-Sicht relativ unspektakuläre Draft Night werden. Atlanta hatte an #15 Jalon Walker gepickt, ein durchaus kontrovers eingeschätzter LB-EDGE-Hybrid, der als Prospect #11 auf dem Consensus Big Board an #15 objektiv betrachtet ziemlich guten Value darstellt. Ich bin persönlich nicht der größte Fan dieser Tweener-Prospects, aber geschenkt: Der Process hinter Walker als Pick ist absolut nachvollziehbar und die Falcons hatten allen Anlass, grundzufrieden aus Runde 1 des Drafts zu gehen. Und dann hatten die Giants gerade für Jaxson Dart hochgetradet, da tauchte „ATL“ doch noch einmal ganz links auf der Pickleiste auf.
Ich habe gelernt, Terry Fontenot’s Drang zu unvorhergesehenen Dummheiten nicht zu unterschätzen. Aber diesen Move hatte ich trotzdem nicht auf der Bingokarte. Die Falcons tradeten neben den Picks #46 und #242 im diesjährigen Draft auch ihren 2026 1st Rounder, um die Picks #26 und #101 von den Rams zu erhalten und mit Pick Nr. 26 James Pearce Jr., einen Edge-Rusher aus Tennessee, auszuwählen.
Und dann ging die Draft-Community steil. Es war dieser eine Moment des Drafts – einer Veranstaltung, bei der die Meinungen so stark auseinandergehen – in dem die NFL-Welt ziemlich kollektiv mit „WHAT?“ darauf reagierte, was die Falcons gerade gemacht hatten.
Ich möchte in diesem Artikel argumentieren, warum der Move für mich bei allem Pass Rush-Need der Falcons deutlich mehr zertifizierter Wahnsinn als kalkuliertes Risiko ist und es für mich ein Paradebeispiel ist, wie man als NFL-Team nicht mit seinen Ressourcen umgehen sollte.
Zukünftige First Round Picks
Um sich bewusst zu machen, was für eine bemerkenswerte Entscheidung es ist, seinen future 1st Rounder wegzutraden, reicht ein Blick auf den diesjährigen und nächstjährigen Draft. Vor dem 2025 NFL Draft hatte jedes der 32 Teams noch seinen First Rounder. Und für den 2026 NFL Draft gibt es genau zwei Teams, die nach gestern nicht mehr im Besitz ihres First Rounders sind: Die Jacksonville Jaguars, die ihren 2026 1st in einem sehr kontrovers beurteilten Trade mit den Browns für Generational Talent Travis Hunter aufgegeben haben, und die Atlanta Falcons.
Future First Round Picks werden nur noch äußert selten getradet, und wenn dann am ehesten noch für Quarterbacks. Selbst Teams wie die Chiefs, Bills oder Ravens, die von einer QB-Verletzung abgesehen quasi eine Garantie darauf haben, erst gegen Ende der 1. Runde zu picken, sind hier sehr vorsichtig. Dass ein seit Jahren unerfolgreiches Team seinen nächstjährigen 1st Rounder hergibt, um für einen Edge Rusher 20 Spots nach oben zu traden, ist in der jüngeren NFL-Geschichte ziemlich einmalig.
Ein guter Spieler mit einem hohen Preis
Mein Problem mit diesem Pick ist nicht der gewählte Spieler. Während James Pearce Jr. keineswegs ein Blue Chip-Prospect ist und von manchen Draft Analysts wie Dane Brugler oder Danny Kelly eher im Bereich der frühen zweiten Runde gesehen wurde, ist Pearce mit herausragendem Speed und starker Production am College an #26 eine absolut vertretbare Auswahl. Er wäre mit Donovan Ezeiruaku, Will Johnson oder Malaki Starks auf dem Board wohl nicht mein Pick gewesen, aber es lässt sich ein sehr gutes Argument für Pearce in diesem Bereich des Drafts machen.
Dieses Argument wird aber ungleich schwerer, wenn man den Preis berücksichtigt, den die Falcons für Pearce gezahlt haben. Nun soll man sich am Draft Day als Fan auch einfach darüber freuen können, wenn das eigene Team spannende Spieler dazubekommen hat. Insofern verstehe ich es, wenn man als Fan den Preis erst einmal vernachlässigt. NFL Front Offices sollten allerdings nicht nach diesem Prinzip arbeiten.
Rechenspiele
Also schauen wir uns mal den unbequemen Teil des Trades an und rechnen: Die Falcons geben von ihrem Zweitrundenpick an #46 zum Drittrundenpick der Rams an #101 insgesamt 55 Draft Spots auf, um statt an Spot X im 2026 NFL Draft an #26 im 2025 NFL Draft zu picken. Der Drop von #46 auf #101 ist gemäß Jimmy Johnson Trade Value Chart 344 Punkte wert, was ungefähr Pick Nummer #56 entspricht. Die Falcons zahlen demnach #56 und einen 2026 1st Rounder, um an #26 zu picken. Der Sprung von #56 auf #26 ist wiederum 360 Punkte wert, was Pick #54 entspricht.
Kurz gesagt: Die Falcons haben für ihren 2026 1st Rounder also circa den Gegenwert von Pick #54 im 2025 Draft bekommen. Und wir reden hier über den Gegenwert auf dem Jimmy Johnson Trade Value Chart, der als traditionelles Modell sowieso noch ziemlich milde mit Uptrades umgeht.
Jetzt schauen wir uns das Ganze auch noch für den moderneren Fitzgerald-Spielberger Trade Value Chart an. Ich erspare euch hier einmal den langen Rechenweg, aber die Rechnung folgt derselben Logik wie oben. Auf dem Fitzgerald-Spielberger Chart erhalten die Falcons für ihren 2026 1st Round Pick den Gegenwert von…Trommelwirbel…Pick Nummer #88.
Fazit des Rechenspiels: Egal ob wir den für Uptrades etwas milderen Jimmy Johnson oder den strengeren Fitzgerald-Spielberger Trade Value Chart verwenden, erhalten die Falcons für ihren 2026 1st Rounder einen Gegenwert, der nicht einmal in der Nähe eines First Rounders liegt.
Nerviger Nerd Shit
Ich weiß, Trade Value Charts sind etwas für Nerds und Langweiler, gewonnen werden Spiele schließlich auf dem Football Field und auf keinem Spreadsheet. Als Fan muss man sich mit so nervigen Dingen wie Pick Values auch nicht unbedingt befassen und kann in Mock Drafts so aggressiv sein wie man möchte. Für ein professionell geführtes NFL-Team ist es aber unerlässlich, auf Value zu achten und sorgfältig mit seinen Picks umzugehen.
Für die Art und Weise, wie Terry Fontenot seit Jahren mit den Ressourcen der Falcons umgeht, wäre er bei jeder mittelgroßen Firma, die ihre Entscheidungen anhand strategischer ökonomischer Gesichtspunkte trifft, schon längst gefeuert worden. Bei der Multi Billion Dollar-Organization Atlanta Falcons wurschtelt er sich aber irgendwie durch.
Der Process hinter dem Trade
Ohne dass irgendjemand von uns Mäuschen im Draft Room der Falcons gespielt hätte, kann man versuchen sich zumindest ungefähr den Process hinter dem Trade zusammenzureimen. Meine Vermutung: Die Falcons waren komfortabel damit, James Pearce Jr. an #15 zu draften, und hatten ihn mit einem ein Top 15-Grade. Als Jalon Walker dann überraschend etwas gefallen ist, mussten sie ihn an #15 einfach mitnehmen und ließen Pearce am Board.
Als Pearce dann aber nicht unmittelbar in den Picks nach #15 ging, wollte man ihn sich auch noch sichern und sah die Chance, an #26 einen Spieler zu bekommen, den man intern deutlich höher eingestuft hatte. Den 2026 1st haben die Falcons nach der alten konventionellen Denkweise vermutlich um ca. eine Runde abgewertet, also vom Value als 2025 2nd gesehen. Mit dieser Entwertung des 2026 1st landet der Trade dann auch bei einem Value, der aus Falcons-Sicht fair ist.
Meine Probleme mit dem Process
Man kann aus Falcons-Sicht mit dieser Sichtweise argumentieren und den Process rechtfertigen. Ich sehe ihn aber aus drei Gründen sehr kritisch.
Grund Nummer 1: Die Overconfidence in die eigene Evaluation.
Nur weil die Falcons ein sehr hohes Grade bei Pearce hatten, gemäß dem er an #26 vermutlich ein Steal war, heißt das nicht, dass es sinnvoll ist, Haus und Hof für einen Spieler zu traden, den der Konsens am Ende der 1. Runde gesehen hat. Jedes Team hat seine Spieler, die es auf ihrem Board höher als der Konsens eingestuft hat und die im Draft deutlich weiter fallen als die Position auf dem Big Board des Teams.
Dann erfordert es Disziplin, nicht sofort alles dafür aufzugeben, um für diesen Spieler nach oben zu traden. Wer den Draft a la „diese drei Spieler müssen wir no matter what bekommen“ angeht, hat bereits verloren. Fontenot hat wiederholt bewiesen, dass ihm die Geduld und Disziplin komplett abgeht, das Draft Board zu sich fallen zu lassen. So sichern sich die Falcons zwar häufig „ihre“ Guys, zahlen aber einen sehr hohen Preis dafür.
Grund Nummer 2: Die Entwertung des 2026 1st Rounders
Es ist eine alte und in NFL-Kreisen immer noch gerne angewandte Denkweise, dass ein Pick in Runde X dieses Jahres so viel wert ist wie ein Pick in Runde X – 1 des nächsten Jahres, dass ein 2025 5th also zum Beispiel einem 2026 4th entspricht. Dass Picks in der Zukunft leicht abgewertet werden ist verständlich, aber eine ganze Runde ist ein krasser Abzug. Es folgt für mich keiner vernünftigen Logik, warum ein 2026 1st viel weniger wert als ein 2025 1st sein sollte.
Und dann kommt noch die Besonderheit der ersten Runde ins Spiel: Während es für den Value eines zukünftigen 4th Rounders relativ egal ist, ob das am Ende Pick #110 oder #130 wird, ist der Value-Unterschied innerhalb der ersten Runde enorm. Der Falcons First Rounder 2026 kann genauso gut Pick #4 werden wie Pick #30, Pick #4 ist aber laut Jimmy Johnson Trade Value Chart fast das 3-fache wert. Die Falcons pokern also sehr stark darauf, dass sie nach 4 Top 10-Picks in den letzten 5 Jahren 2026 nicht in diesem Bereich landen.
Grund Nummer 3: Lass doch gottverdammt das Board fallen!
Niemand weiß, ob James Pearce Jr. noch einen oder noch 20 Picks auf dem Board gewesen wäre, wenn die Falcons ihn nicht an #26 gedraftet hätten. Offensichtlich sahen die Falcons die Notwendigkeit, für ihn in die erste Runde zu traden, aber wissen wir ob diese auch gegeben war? Vor Day 2 des Drafts sind noch viele hoch angesehene Prospects auf dem Board, sei es auf WR, EDGE oder CB. Es gibt ein nicht einmal völlig unrealistisches Szenario, in dem Pearce es vielleicht sogar bis zum Falcons Second Rounder an #46 gemacht hätte.
Und auch wenn er vorher gepickt worden wäre: Es braucht keine hellseherischen Fähigkeiten um vorherzusehen, dass an #46 eine nette Spielerauswahl vorliegen wird. Mit dem Uptrade wetten die Falcons nicht nur darauf, dass Pearce in der NFL funktioniert, sie wetten auch darauf, dass er besser funktioniert als die vielen guten Alternativen, die in Runde 2 da sein werden.
Und selbst wenn die Falcons ultra-fokussiert auf Pearce waren, was sowieso selten eine gute Idee ist: Vermutlich hätte es sogar gereicht, noch 5-10 Picks zu warten, und sie hätten für den Uptrade zumindest nur einen 2026 2nd oder 3rd Rounder zahlen müssen und nicht den eigenen 1st.
Die Kunst des Schönredens
Das Vertrauen von NFL-Fans in ihr Lieblingsteam ist eine faszinierende Sache. Nach dem Draft sind jedes Jahr 32 von 32 Fanbases davon überzeugt, dass ihr Team der Gewinner des Drafts sei. So gehen dann auch 32 Fanbases mit Hoffnung und der vollen Überzeugung, dass die NFL-Medienlandschaft genau ihr Team unterschätzt, in die Saison. Und das alles nur damit nach Woche 3 ungefähr 20 von 32 Fanbases ihren Headcoach infrage stellen und der Offensive Coordinator zur Persona Non Grata wird. It’s a tale as old als time.
Der emotionale Wert des NFL Drafts besteht für Fans darin, dass er Hoffnung für die Zukunft und insbesondere für die kommende Saison macht. Insofern ist es nachvollziehbar und logisch, dass Fanbases jede denkbare kognitive Verzerrung nutzen, um sich den Draft des eigenen Teams möglichst schönzureden. In jährlich variierendem Ausmaß sind wir hier alle guilty, sind wir mal ehrlich.
Dass es mehr als genug Falcons-Fans gibt, die den Trade für James Pearce Jr. feiern oder jedenfalls rechtfertigen, war somit absehbar und ist auch absolut verständlich. Ich kann es niemandem verübeln, der sich einfach nur darüber freut, dass die Falcons nach vielen Jahren endlich einmal richtig in die D-Line investiert haben. Die Falcons haben die wenigsten Sacks aller NFL-Teams in den letzten 5 Jahren, natürlich will und braucht dieses Team Pass Rusher.
Aber ich nehme es Terry Fontenot, Kyle Smith, Ryan Pace, Raheem Morris, Arthur Blank & Co übel, dass sie so sorglos mit den ohnehin spärlichen Ressourcen der Falcons umgehen.
Der Unterschied zum Penix-Pick
Auch letztes Jahr haben die Falcons mit dem Pick von QB Michael Penix Jr. an #8 für einen Schocker gesorgt, über den die NFL-Medien- und Fanlandschaft gelächelt bis gestaunt hat. Auch letztes Jahr war ich äußerst kritisch mit dem Pick der Falcons. Und ich sollte damit voll daneben liegen – der Penix-Pick sieht ein Jahr später wie der beste Move in der Amtszeit von Terry Fontenot aus. Meine sehr kritische Betrachtung war falsch, weil ich meiner eigenen niedrigen Einschätzung des Prospects Penix viel zu viel Gewicht verleiht habe. Weil ich den Fehler im kostspieligen QB-Room der Falcons im Pick von Penix anstatt im Contract für Cousins gesehen habe.
Also vielleicht weiß es Fontenot ja auch dieses Jahr besser als alle anderen? Vielleicht. Aber für mich gibt es einen zentralen Unterschied: Während der Penix-Pick für die Spielerauswahl kritisiert wurde, dreht sich die Kritik um den Pearce-Trade einzig und allein um den horrenden Preis und nicht um den ausgewählten Spieler. Und während wir keine Ahnung haben, wie gut Pearce in der NFL funktionieren wird, können wir sicher sagen, dass der Preis für ihn ein enorm hoher war. Dafür braucht es keine Glaskugel.
Trade Made in New Orleans
Wüsste man nicht, dass Terry Fontenot dem GM-Tree von Mickey Loomis aus New Orleans entstammt, man bräuchte sicherlich nicht besonders viele Tipps dafür. Die ultra-aggressive und zukünftige Ressourcen vernachlässigende Herangehensweise, die die Saints in den Zustand der absoluten Hoffnungs- und Bedeutungslosigkeit geführt hat, hat sich Fontenot mit nach Atlanta genommen.
Schon letztes Jahr gaben die Falcons viel Value auf, um sich DT Ruke Orhorhoro zu sichern. Auch für OG Matt Bergeron oder EDGE Arnold Ebiketie tradete Atlanta unter Fontenot in den Vorjahren nach oben. Dass Fontenot keine Angst hat, Value aufzugeben um sich „sein“ Prospect zu sichern, sollte niemanden mehr überraschen. Eine gute Strategie für das langfristige Zusammenstellen eines NFL-Rosters ist das aber selten, wie ein Blick auf den wunderbar traurigen Zustand des Saints-Rosters zeigt.
Insofern ist es wenig überraschend, dass man ein zweifelhaftes Vorbild für den Pearce-Trade ausgerechnet in New Orleans findet. Im 2018 NFL Draft schickten die Saints einen 2018 5th Rounder sowie ihren 2019 1st Rounder nach Green Bay, um von #27 an #14 nach oben zu traden. Das Target? Marcus Davenport, ein toolsy Edge-Rusher. Das Ergebnis? Die Saints überschätzten ihre eigene Evaluation von Davenport, der nie zum anvisierten Difference Maker wurde und in 5 Jahren in New Orleans überschaubare 23 Sacks beisteuerte, und zahlten einen absoluten Premium Preis für einen non-Premium Player.
Muss das automatisch der Outcome für den Pearce-Pick sein? Natürlich nicht. Aber dass Terry Fontenot quasi denselben Move noch einmal versucht, mit dem die Saints mit Ansage auf die Schnauze geflogen sind, ist für mich eine flache Lernkurve.
High Risk, High Reward?
Weil der NFL Draft ein unvorhersehbarer Crapshoot ist, gibt es natürlich trotzdem ein Szenario, in dem dieser Deal gut altert. Ein Szenario, in dem James Pearce Jr. zu einem sehr guten Edge-Rusher wird, der den zahmen Pass Rush der Falcons deutlich aufwertet. Und ein Szenario, in dem Atlanta als Team 2025 so gut wird, dass es im 2026 NFL Draft verhältnismäßig spät pickt und „nur“ einen Pick in den 20ern oder, um völlig größenwahnsinnig zu werden, sogar 30ern nach Los Angeles schickt. Das wäre immer noch ein sehr stolzer Preis, aber in diesem Szenario, in dem Pearce sein Potential voll ausschöpft und die Falcons gut werden, ein Preis, den man gerne gezahlt hätte.
Das Problem ist, dass dieses Szenario leider nur eines von vielen möglichen ist. Genauso ist es denkbar, dass Pearce bustet oder eben nur okay wird und man einen enorm hohen Preis für den nächsten Takk McKinley gezahlt hat. Und ebenso ist es möglich, dass die Falcons 2025 vielleicht nicht so gut werden, wie wir uns das alle wünschen. Weil die Sample Size von QB-Hoffnung Michael Penix Jr. immer noch erst mickrige drei Spiele beträgt, so vielversprechend diese drei Spiele waren. Weil die Falcons ihre letzte Winning Season im Jahr 2017 hatten, als Jupp Heynckes noch Trainer des FC Bayern München war. Weil Atlanta selbst unter QB Matt Ryan vier Jahre infolge nur 7-10 oder schlechter ging.
Und weil man einen „Cam Jordan tritt Penix in Woche 3 auf den Knöchel“-Moment davon entfernt ist, dass man im Worst Case vielleicht sogar einen Top 5-Pick für James Pearce Jr. gezahlt hat. Ist das zum Glück relativ unwahrscheinlich? Ja. Aber genauso wie das Best Case-Szenario möglich ist, muss man in einer vernünftigen Risk-Reward-Abwägung eben auch das Worst Case-Szenario in Erwägung ziehen, und vor allem alle Szenarien dazwischen.
Die Falcons haben 2025 bei den Wettanbietern ein Win Total von 7.5, nur 7 Teams haben ein niedrigeres Over/Under. Davon auszugehen, dass die Falcons 2025 so gut werden, dass der nach Los Angeles geschickte Pick sowieso „nur“ im Bereich des Picks Nummer #26 liegt, den man dieses Jahr von den Rams erhalten hat, erfordert eine gehörige Portion Confidence in die 2025 Falcons, die die letzten Jahre nicht wirklich hergeben.
Damit dieser Deal für Atlanta gut altert, müssen sowohl Pearce als auch die Falcons sehr gut funktionieren. Das ist definitiv möglich, aber in 100 realistischen Szenarien der kommenden Season ist das vielleicht in 10-15 Szenarien der Outcome.
Die Lotterie NFL Draft
Der NFL Draft ist eine sehr unterhaltsame Lotterie, bei der am Ende niemand wirklich verlässlich sagen kann, welches Prospect besser und welches schlechter in der NFL funktionieren wird. Die Art und Weise, wie sich erfolgreiche NFL-Teams inmitten dieser Lotterie trotzdem einen Vorteil verschaffen, ist der Umgang mit ihren Draft Resources. Das bedeutet: Nicht die eigene Evaluation überschätzen, das Board zu dir fallen lassen, Spieler auf Premium Positions picken und vor allem möglichst viele (bestenfalls hohe) Picks sammeln, um die Chance auf Hits zu maximieren und seine Tickets nicht alle auf ein Pferd zu setzen.
Das ist der Blueprint, mit dem Teams wie die Eagles, Ravens oder Chiefs seit Jahren arbeiten und Erfolg haben. Und das ist leider eben so circa das Gegenteil von dem, wie Terry Fontenot in Atlanta arbeitet. Der Draft ist trotz aller Unvorhersehbarkeit auch ein jährliches Anschauungsbeispiel, warum gute Teams häufig gut bleiben und schlechte Teams häufig schlecht bleiben, trotz aller „Aufstiegschancen“, die die NFL bietet.
Zwischen Mut und Verzweiflung
Nun kann sich Aggressivität im Draft auch mal auszahlen – der Trade der Texans für Will Anderson im 2023 Draft zum Beispiel wurde ebenfalls von vielen stark kritisiert und sieht zwei Jahre später durchaus gut aus. Aber die Historie spricht gegen Teams, die ihre eigene Einschätzung eines Prospects so stark gewichten, dass sie massiv Ressourcen dafür aufgeben, um sich dieses Prospect zu sichern.
Was man als Mut zum Risiko betrachten kann, wirkt für mich viel mehr wie ein Verzweiflungs-Move von Terry Fontenot, um seinen Allerwertesten zu retten, der nach 4 Losing Seasons in Atlanta auf dem Hot Seat ist. Aus Sicht von Arthur Blank verstehe ich es am allerwenigsten, Fontenot in einem „Ich muss meinen Job retten“-Szenario den zukünftigen First Rounder wegtraden zu lassen. Du lässt dir schließlich auch nicht den Namen deines Partners fett auf den Rücken tätowieren, wenn du längst schon über eine Trennung nachdenkst.
Persönliches Fazit
Die Falcons haben unter GM Terry Fontenot nie davor zurückgescheut, Risiken einzugehen und die NFL-Welt zu schocken. Dieses Jahr gelang ihnen das, indem sie für James Pearce Jr. zurück in die erste Runde tradeten. Die dringend benötigte Pass Rush-Hilfe kommt mit einem stolzen Preis: Der Trade war nach den gängigen Trade Value Charts ein Overpay mit massivem Risiko, über den man sich in Los Angeles die Hände reiben dürfte. Für ihren 2026 1st Rounder erhalten die Falcons den mickrigen Gegenwert von Pick #54 oder #88, je nachdem welchen Trade Value Chart man heranzieht.
Somit haben die Falcons an einem Abend, an dem sie eigentlich gar nicht so viel falsch machen konnten, wieder einmal einen Weg gefunden, sich in den Augen vieler NFL-Beobachter zum Obst der Woche zu machen. In einer bemerkenswert erfolgslosen Amtszeit, für die die allermeisten GMs schon längst gefeuert worden wären, ist das vielleicht die größte Fähigkeit von Terry Fontenot.
Es bleibt zu hoffen, dass der Pearce-Pick besser altert als der Davenport-Blueprint und die Falcons 2025 vielleicht endlich ähnlich verlässlich einen Weg zum gegnerischen QB finden wie einen Weg, mich am Draft Day in die Verzweiflung zu schicken.