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Das Kyle Pitts-Problem

Kein Arthur Smith mehr und mit Kirk Cousins endlich wieder einen echten QB zur Verfügung: 2024 sollte das Jahr von Kyle Pitts werden. Fantasy-Spieler drafteten ihn einmal mehr als einen der ersten 6-7 TEs und auch Falcons-Fans hatten hohe Erwartungen. Nach 4 Spielen stehen aber gerade einmal 8 Receptions für 106 Yards zubuche – auf 17 Spiele hochgerechnet würde das 34 Receptions für 451 Yards entsprechen.

Woran liegt das? Und wie viel Anlass zur Hoffnung besteht, dass dem Generational Talent noch einmal der Breakout gelingt? Wir schauen uns Pitts‘ Tape und Stats genauer an und wagen einen Ausblick. Eine Analyse für Falcons-Fans, unverbesserliche Kyle Pitts-Drafter und sonstige Fans von Unicorns.

Anlass für Optimismus

Trotz zwei enttäuschender Vorsaisons herrschte in der Offseason viel Zuversicht rund um Kyle Pitts. 2024 sollte das Jahr werden, in dem er endlich wieder zur herausragenden Form der Rookie Season zurückkehrt.

Es gab gleich mehrere Gründe für Optimismus. Zunächst einmal liegt Pitts‘ schwere Knieverletzung, die seine Saison 2022 vorzeitig beendete, mittlerweile fast 2 Jahre zurück und sollte ihn nun nicht mehr beeinflussen. Dann waren 2023 73% der Targets von Pitts nicht accurate, der höchste Wert aller TEs in der NFL. Mit Desmond Ridder und Taylor Heinicke gute Stats aufzulegen ist schwer. In der Offseason bekam Pitts mit Kirk Cousins zum ersten Mal seit Matt Ryan wieder einen ernstzunehmenden QB zur Seite gestellt, der sein Potenzial voll entfalten sollte.

Schließlich wurde nicht nur der QB-Room, sondern auch der Coaching Staff der Falcons auf links gedreht. Vom in Fantasy-Kreisen nahezu verhassten HC Arthur Smith ging es zu Raheem Morris, der Zac Robinson als neuen Offensive Coordinator aus Los Angeles mitbrachte. Robinson lernte von Sean McVay und galt in der Offseason als der heiße Scheiß der kommenden OC. Die Erwartung war, dass Robinson nicht nur ein moderneres, sondern auch ein passlastigeres Scheme mit nach Atlanta bringt, von dem nicht zuletzt Pitts profitieren sollte.

Die Psychologie der Erwartungen

Die Antwort auf die Frage, wo die hohen Erwartungen an Kyle Pitts herkommen, ist denkbar einfach. Pitts ist der am höchsten gedraftete TE aller Zeiten, besitzt herausragende Traits und spielte die zweitbeste Rookie Season eines Tight Ends in der langen Geschichte der NFL. Wenn ein 6’6″-TE eine 4.44 Forty Time läuft und mit nur 21 Jahren bereits eine 1.026 Yards-Season hinlegt, dann macht das nachhaltig Eindruck. Nach seiner ersten NFL-Season war sich die NFL-Fangemeinde unisono sicher: Pitts wird ein x-facher All Pro und für sehr viele Jahre einer der besten TEs der NFL.

Priors sind in der NFL sehr viel wert. Die ersten Informationen, die wir zu einem Thema erhalten, haben einen großen Einfluss auf unsere Meinung – in der Psychologie nennt man das Anchoring Bias (Klugscheißerwissen aus dem Studium angebracht, check). Entsprechend werden überraschende Entwicklungen von Spielern, die nicht zu unseren Erwartungen passen, später erkannt und zunächst vorsichtiger eingeschätzt. Nico Collins musste erst trotz Stefon Diggs und Tank Dell dominieren, bis er nun langsam aber sicher als der Top 7-WR erkannt wird, der er bereits 2023 war. Auch bei Puka Nacua dauerte es letztes Jahr wesentlich länger, bis seine Leistung als real anerkannt wurde, als bei hoch gedrafteten WR wie Ja‘Marr Chase oder jetzt Malik Nabers in ihren Rookie Seasons.

Noch schwerer als bei überraschenden positiven Entwicklungen tun wir uns scheinbar bei überraschenden negativen Entwicklungen. Wenn ein Spieler einmal als ultra-talentiert angesehen wird, so braucht es sehr viel, bis wir diese Einschätzung hinterfragen. Spielerkarrieren verlaufen in der NFL nicht immer nur geradlinig nach oben, aber es steht fundamental unseren Erwartungen gegenüber, wenn ein talentierter Spieler auf einmal ohne wirkliche Erklärung schwächer spielt. Zudem spielt der Draft Status in der Wahrnehmung von Spielern – egal ob durch die Öffentlichkeit oder durch die Teams selbst – noch lange Zeit eine große Rolle. Jerry Jeudy, Jeff Okudah, Treylon Burks, Devin White – you name it.

Nun möchte ich Pitts nicht in die Kiste der Spieler schmeißen, die nur von ihrem Draft Status leben. Aber auch bei Kyle Pitts spielt das im Draft Process entstandene Bild als Generational Talent meiner Wahrnehmung nach immer noch eine große Rolle in den Einschätzungen und Erwartungen.

Die Wahrheit ist auf dem Platz

Gehen wir von den Erwartungen weg und schauen uns die Stats von Kyle Pitts in den letzten Jahren an. Seit Beginn der Saison 2022 hat Pitts in nur 3 von 31 Spielen 60+ Receiving Yards erreicht. In seiner Rookie Season 2021 knackte Pitts diese Marke noch in 9 seiner 17 Spiele. Die Liste an TEs, die seit 2022 mehr 60+ Yards-Games vorzuweisen haben als Pitts, beinhaltet neben den üblichen Verdächtigen auch Durchschnitts-TEs wie Gerald Everett, Tyler Conklin oder Hunter Henry. Und das letzte 100 Yards-Game von Pitts datiert vom 26. Dezember 2021 aus seiner Rookie Season.

Neben mittelmäßigen Total Stats zeichnen aber auch Advanced Stats kein viel besseres Bild. Seine 1.69 Yards/Route Run in 2022 waren zwar unter dem starken Niveau seiner Rookie Season (2.02 Y/RR), aber immer noch ganz gut. 2023 lag Pitts dann mit 1.43 Y/RR bereits deutlich außerhalb der Top Ten. 2024 steht Pitts bisher bei 1.06 Y/RR und kam nur gegen die Chiefs über 1 Y/RR hinaus. Auch seine Receiving Grades wurden kontinuierlich schlechter, von 82.3 in seiner Rookie Season runter auf 58.1 in den ersten vier Spielen von 2024.

Pitts hat auch in den letzten beiden Jahren noch Flashes seines großen Talents gezeigt. Aber das letzte Mal, dass man ihn als Elite-TE bezeichnen konnte, war 2021. Damals war Russell Wilson noch Starter der Seahawks, Antonio Brown in der NFL, Hunter Renfrow ein 1.000 Yards-WR und Antonio Gibson hatte die sechstmeisten Rushing Yards aller RBs. Will heißen: Das ist in der schnelllebigen NFL lange her.

Ein Sündenbock

Vor allem die Fantasy-Gemeinde hatte schnell den Schuldigen für nicht zufriedenstellende Pitts-Statlines in den letzten beiden Jahren ausgemacht: Arthur Smith war es, der einfach viel zu unfähig war, um seine Playmaker auch adäquat einzusetzen. Wie kann er es wagen, Bijan nicht 25 Touches und Pitts nicht 10 Targets pro Spiel zu geben!

Nun stehe ich sicherlich nicht im Verdacht, ein großer Arthur Smith-Verteidiger zu sein. Smith hat mit dem eindimensionalen Design seiner Offense und einem fragwürdigen Einsatz seiner talentiertesten Playmaker einen signifikanten Anteil daran, dass die Falcons-Offense vor allem 2023 enttäuschte. Playcaller sind zudem generell gerne die ersten, die kritisiert werden, und ich bin da gewiss keine Ausnahme. Aber nichtsdestotrotz fand ich es kurios, wie schnell und einfach der Sündenbock für Pitts‘ Leistungen ausgemacht wurde. Leider sind Pitts, Bijan und mit Abstrichen London aber auch mit neuem QB und OC keine völlig anderen Spieler. Ich bin sehr froh, dass die Falcons einen neuen Coaching Staff haben, aber nur an Arthur Smith lag es nicht.

Stärken und Schwächen

Wenn ich euch fragen würde, was die Stärken von Kyle Pitts sind, was würde euch alles einfallen? Wahrscheinlich würde sofort sein athletisches Profil fallen. Und das ist zweifelsohne herausragend: Pitts ist 6’6″, hat den Wingspan eines Flugsauriers und den Long Speed eines Wide Receivers.

Spieler mit dieser Kombination sind in der NFL unfassbar selten. Es gibt quasi keine Linebacker, Safeties oder Cornerbacks, die sowohl die Größe als auch den Speed von Pitts haben. Damit ist er ein Mismatch waiting to happen und vor allem als Downfield Threat eine Gefahr. Aber das sind eben erst einmal nur Tools. Und trotz seines großen Potenzials als Downfield Threat standen 2023 nur 7 Plays von 20+ Yards zubuche – auf was auch immer man das zurückführen möchte.

Eine Stärke sind zudem seine Hände. Pitts ist beim Catch sehr sicher und hat laut PFF seit Beginn seiner NFL-Karriere nur 6 Drops zu verzeichnen – Travis Kelce hatte allein 2023 so viele. Bei Contested Catches ist Pitts zwar nicht so dominant, wie man sich das mit seinem Catch Radius wünschen würde, aber trotzdem ordentlich. Und dazu zeigt er immer wieder Catches, die zurecht ihren Weg in die Highlight-Videos der NFL finden. Pitts hat Hände, mit denen er sich auch vor gelernten WR nicht verstecken muss.

Während er am Catchpoint stark ist, ist Pitts allerdings weder vor noch nach dem Catch sonderlich gut. Und Receiver, die ihr Living nur am Catchpoint verdienen, sind in der NFL rar gesät. So herausragend Pitts straight-line Speed auch ist: In Sachen Agilität ist Pitts kein besonderer TE. Seine Testing-Werte waren hier bereits „nur“ guter Durchschnitt und das zeigt sich auf Tape. Pitts ist ein Fluid Mover, weswegen sein Route Running in den besten Momenten durchaus elegant aussieht. Aber es fehlt ihm deutlich an Explosivität und Agilität auf kurze Distanzen und bei Richtungswechseln. Pitts bewegt sich deutlich mehr smooth als sudden und ist bei kurzen Routen längst nicht so explosiv, wie man das erwarten würde.

Die Folge davon ist konstant wenig Separation. Er muss in mehr Contested Catches gehen, als man sich das wünschen würde, und ist viel zu selten wirklich „offen“. Pitts war schon früh in seiner Karriere kein herausragender Separator, aber da bestand berechtigte Hoffnung auf Entwicklung mit NFL-Coaching. Ein paar Jahre später sind diese Probleme leider nicht weniger, sondern eher gravierender geworden. Die Stats, die ich zu Separation gefunden habe, bestätigen dieses Bild. Laut PlayerProfiler lag Pitts bei der Target Separation (Separation zu dem Zeitpunkt, bei dem der Pass ankommt) in bisher jeder Saison außerhalb der Top 25. Diese Saison ist es bislang Platz 37. Auch in den Separation-Metrics von ESPN und Fantasy Points Data schneidet Pitts desaströs ab.

Sieht man sich seine Routen an, überrascht das kaum, aber das Ausmaß fand ich doch erschreckend. Nun muss man kein Elite Separator sein, um in der NFL als Receiver trotzdem Erfolg haben zu können. Aber diese Probleme führen mittlerweile dazu, dass Pitts außer einer gewissen Big Play-Gefahr, die er mit seinem Speed immer noch mitbringt, kein großer Faktor in der Offense ist. Nach 4 Wochen hat Ray-Ray McCloud mehr Targets, Catches und Yards als Pitts. Bei allem Respekt, Ray-Ray McCloud!

Aber nicht nur Separation ist eine Schwäche, auch nach dem Catch ist Pitts keine besondere Waffe. Hier fehlt es ihm ebenfalls an Agilität sowie an der letzten Physis. Wenn er freies Feld vor sich hat, ist Pitts nur schwer einzuholen. Diesen Luxus hat er in der NFL aber leider nicht oft. Und wenn es darum geht, Defendern auszuweichen oder Tackles zu brechen, ist er leider einfach nicht gut. Selbst „Did he break a tackle yet?“-Zach Ertz liegt bei den Missed Tackles Forced von 2022-2023 nur knapp hinter Pitts. Das war noch nie seine größte Stärke, und doch hätte man sich hier zumindest eine gewisse Steigerung gewünscht.

Zuletzt ist Pitts auch kein starker Blocker. Dafür wurde er nicht gedraftet und das ist auch nicht sein Spiel. Aber wenn du nicht separaten kannst, nach dem Catch nicht besonders viele Yards rausholst und als Blocker deutliche Schwächen hast, dann sind am Ende zu viele Kernbereiche des TE-Spiels nicht gut genug, um ansatzweise als Elite zu gelten, bei aller Athletik. Und ehrlicherweise sehe ich nicht, dass sich in diesen Bereichen noch sehr viel tut – dafür fiel die Entwicklung in den letzten Jahren einfach zu gering aus bzw. verlief teilweise sogar rückwärts.

Eine neue Rolle

Umso wichtiger ist es, Pitts anhand seines Stärken- und Schwächenprofils einzusetzen. Pitts durfte (oder musste) in seiner NFL-Karriere bereits viele verschiedene Rollen spielen. In seiner Rookie Season wurde er viel als echter X-Receiver eingesetzt, 2023 war er dann bei 58% seiner Snaps im Slot zuhause. Dieses Jahr spielt Pitts hingegen wesentlich mehr als inline-TE. Während er 2023 nur bei 15% seiner Snaps inline aufgestellt war und noch nie in seiner Karriere mehr als 26%, sind es 2024 bisher ganze 44%.

Tight Ends spielen in der McVay-Offense, deren Grundzüge Robinson mit nach Atlanta bringt, traditionell keine große Rolle. Nun hat das sicher auch damit zu tun, dass die Rams lange keinen TE mit Elite-Tools hatten. Aber in der McVay-Offense waren TEs meistens eben nur inline-Dumpoff-Optionen und kein wirklicher Teil der Downfield Passing Attack. Tyler Higbee, seit Ewigkeiten Starter der Rams, war in bisher jeder Saison seiner NFL-Karriere über 50% inline aufgestellt. Sein average depth of target (ADOT) lag in den letzten 6 Saisons zwischen 3.2 und 8.4.

Kyle Pitts hingegen hatte in seinen ersten drei Saisons jeweils ADOTs von deutlich über 10. Dieses Jahr liegt sein ADOT bei 10.2, was zwar noch höher als Higbee in den letzten Jahren ist, aber der niedrigste Wert in Pitts‘ Karriere. Pitts spielt im Prinzip eine etwas moderatere Tyler Higbee-Rolle. Nun stellt sich aber die Frage, ob Pitts in einer Tyler Higbee-Rolle gut aufgehoben ist.

Ich halte es für die schlechtmöglichste Einsatzmöglichkeit für das Profil von Kyle Pitts. Eine Rolle mit viel inline-Snaps und kurzen Routen erfordert gutes Blocking, Separation auf kurze Distanzen und im Optimalfall Yards after Catch. Anders gesagt: Genau die Kernbereiche, in denen Pitts meiner Einschätzung nach gerade nicht gut ist.

Nicht nur exposed man damit aber Pitts‘ Schwächen, auch seine Stärken kommen deutlich weniger zugute. Die liegen bei tieferen Routen, wenn er Defenses mit seinem Speed und seinem Catch Radius als Downfield Receiver attackieren kann. Pitts‘ Stärkenprofil umfasst zu wenige Bereiche für einen echten Elite-TE, aber zumindest diese Stärken muss man als Offense zur Geltung bringen.

Zac Robinson gelingt das noch nicht. Ich erwarte von ihm, dass er Antworten findet, um Pitts‘ mehr anhand seiner Stärken einzusetzen statt in einer Rolle, in der genau seine Schwächen gezeigt werden. Dafür wird Robinson sich ein Stück weit von der klassischen McVay-Offense lösen müssen. Aber gute Playcaller vermögen es, ihre Offense nach den Stärken ihrer Spieler anzupassen.

Eine ausführlichere, sehr gut geschriebene Analyse zu Pitts‘ Rolle in der neuen Falcons-Offense findet ihr bei TheFalcoholic.

Was können wir aus der Diskussion um Kyle Pitts lernen?

Das soll keine „Ich hab’s euch ja gesagt“-Besserwisserei werden, weil ich vor 2-3 Jahren genauso wenig damit gerechnet hätte, dass Pitts 2024 nur noch ein mittelmäßiger TE ist. Manche Spielerentwicklungen sind sehr schwer zu erklären und Pitts ist so ein Fall – denn dass er auch in der NFL auf höchstem Level performen kann, hat er uns bereits gezeigt. Und trotzdem können wir vielleicht ein paar Lehren aus der Diskussion rund um Pitts in den letzten Jahren ziehen.

Punkt 1: Es gibt keine „sicheren“ Prospects

Ein großes Argument für Pitts war, dass er als derart herausragendes can’t miss-Unicorn-Prospect galt, dass man über den geringeren Positional Value hinwegsehen konnte. Die Möglichkeit, dass er sich in die Reihe der enttäuschenden 1st Round TEs wie Eric Ebron oder Evan Engram einreihen könnte, wurde quasi nicht in Betracht gezogen, denn Pitts war different. Das war er als Prospect vermutlich auch – und trotzdem ist Elite-Level in der NFL leider alles andere als garantiert.

Ja’Marr Chase, Jaylen Waddle, Penei Sewell, Jaycee Horn, Patrick Surtain, DeVonta Smith, Justin Fields, Micah Parsons, Rashawn Slater – das ist die elitäre Liste der 9 Spieler, die nach Kyle Pitts gedraftet wurden. Ich tue mich schwer damit, Pitts als wirklichen „Bust“ zu bezeichnen. Aber man kommt in retrospect kaum um den Schluss herum, dass Terry Fontenot hier einen der schlechtesten Picks getätigt hat, die realistisch möglich waren. Fontenot’s bemerkenswert bescheidene Draft Bilanz soll Thema für wann anders sein. Aber vielleicht können wir daraus mitnehmen, dass selbst die „sichersten” Prospects in der NFL alles andere als Selbstläufer sind – und dass non-premium Positions in den Top 10 des Drafts am Ende meistens einfach keine besonders gute Idee sind.

Punkt 2: Es sind selten nur die Umstände

Nicht zuletzt Sam Darnold zeigt uns: Umstände do matter in the NFL. A lot. Ob bei QBs, RBs oder auch TEs. Aber trotzdem ist einer der Football-Schlüsse, den zumindest ich persönlich in den letzten Jahren gezogen habe, dass Elite-Spieler trotz ausbaufähiger Umstände in aller Regel zeigen, dass sie Elite sind. Und dass man bei Spielern, bei denen die Umstände als quasi einzige Erklärung für suboptimale Leistungen herangezogen werden, dann oft vergeblich auf den großen Breakout wartet, auch wenn sich die Umstände bessern (Hello, Garrett Wilson).

Monokausale Erklärungen sind schön einfach, aber selten zutreffend. Kyle Pitts hat die letzten Jahre unter fragwürdigem Coaching, schlechtem QB-Play und den Folgen einer schweren Verletzung gelitten – das hat seine Entwicklung fraglos beeinträchtigt. Aber dass Pitts eher schlechter als besser aussieht, obwohl der unfähige Arthur Smith out of town ist, sollte uns womöglich etwas zu denken geben, bevor wir das nächste Mal einen Coach durchs Dorf jagen.

Punkt 3: Ignoriere die Fantasy Analysts-Marktschreier.

Outlook

Make no mistake: Kyle Pitts kann immer noch ein guter starting TE in der NFL sein und ist mit seiner Athletik ein Big Play Threat und eine Mismatch-Waffe, die gegnerische Defenses respektieren müssen. Wenn Zac Robinson ihn zukünftig wieder mehr als Downfield Receiver und weniger als inline-TE einsetzen sollte, dann würden Pitts’ Stärken glaube ich auch wieder mehr zur Geltung kommen. Zudem sind wir gerade einmal 4 Wochen in der Season und eine Offense mit neuem Quarterback und neuem Playcaller muss sich auch erst einmal finden.

Dieser Artikel nimmt hier bewusst einen kritischen Blickwinkel ein, weil Pitts an den hohen Erwartungen gemessen wird, die sehr viele nach wie vor an ihn haben. Diesen Ansprüchen gerecht zu werden ist sehr schwer und auch wenn er das nicht tut, ist Pitts immer noch ein cooler Spieler. Und weil er schon länger in der NFL ist, vergisst man gerne, dass Pitts in ein paar Tagen erst 24 wird und die Entwicklung gerade bei TEs gerne auch mal länger dauert. Insofern ist das letzte Wort über ihn noch lange nicht gesprochen und ich hoffe sehr, dass er noch einmal an sein als Rookie gezeigtes Niveau anknüpfen kann. Der Pitts von 2021 war ein spektakulärer Spieler, der die NFL wesentlich mehr fun to watch macht.

Wenn wir Kyle Pitts aber zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen wollen, dann kommt man nicht um den Schluss herum, dass seine Leistungen schon länger nicht den Hype um ihn widerspiegeln können. Pitts‘ Entwicklung zeigt seit 2022 kontinuierlich in die falsche Richtung und dieser Trend setzt sich bisher auch 2024 fort. Nach 4 Spielen ist Pitts auf Pace für eine 451 Yards-Saison und die Hälfte seiner 106 Yards stammt von einem einzigen Highlight-Play. Ich kann mir zwar vorstellen, dass sich seine Total Stats noch verbessern, wenn Zac Robinson ihn weniger auf kurzen Routen und konsequenter als Downfield Threat einsetzt.

Aber sowohl auf Tape als auch in den Stats habe ich wenig Anlass zur Hoffnung gefunden, dass bei Pitts noch einmal der ganz große Sprung kommt. Ich glaube an diesem Punkt nicht mehr an den Breakout, so sehr ich ihn mir wünschen würde. Die Probleme sind zu groß, und zwar nicht nur die Probleme seiner Umstände, sondern konkret beobachtbare, eindeutige Schwachstellen in seinem Spiel.

Was heißt das für die Zukunft? Anstelle der Falcons würde ich mir überlegen, ob ein Neustart für Pitts bei einem anderen Team nicht für alle Beteiligten die beste Option ist. Insbesondere wenn er sowieso hauptsächlich als inline-TE eingesetzt wird, kann diese Rolle auch ein athletisch deutlich schwächerer Spieler ausfüllen. Wenn man für Pitts noch einen Day 2-Pick angeboten bekommt, muss man das an diesem Punkt glaube ich machen – ich fürchte aber fast, dass sein Value das nicht mehr hergibt. Und ein Tipp an die Dynasty-Owner: Ich würde Pitts traden, solange ihr vielleicht noch irgendwie einen Return in der Region eines 1st Rounders ergattern könnt.

Fazit

Ich glaube, Kyle Pitts ist einfach nicht (mehr) der Spieler, zu dem wir ihn machen wollten. Seine Leistungen in den letzten 1-2 Jahren zeichnen das Bild eines durchschnittlichen NFL-TEs und aktuell ehrlicherweise nicht einmal das. Seine aktuelle Rolle in der Falcons-Offense tut ihm keinen Gefallen und ich hoffe sehr, dass ich mit meiner Einschätzung falsch liege. Aber ich glaube, dass wir uns von den hohen Erwartungen an Pitts verabschieden müssen.

Man muss aber auch nicht in Fantasy in Runde 4 gedraftet werden, um eine sehr respektable NFL-Karriere hinlegen zu können. Dafür hat Pitts weiterhin alle Möglichkeiten. Ich glaube es zwar nicht, aber ich wünsche ihm sehr, dass er den besten Teil seiner NFL-Karriere noch vor sich hat – am liebsten in Atlanta.

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