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Allgemein Offseason 2021

Falcons Offseason – Die nicht so milde Perspektive

Es gibt eine milde, verständliche Perspektive auf die Offseason der Falcons, weil man für so ziemlich jede Entscheidung nachvollziehbare Gründe findet: Die fatale Cap-Situation als Erklärung für die Ryan-Restructure; der Respekt vor einer Franchise-Legende sowie der benötigte Cap Space als Argumente für einen Julio-Trade; die Skepsis in Fields, die vermutlich wenig überzeugenden Trade-Angebote sowie Pitts‘ Status als Ausnahmetalent als Erklärung für den Pick an #4. 

Ich will diese Perspektive hier nicht wählen. Denn einmal geben Sven und Marko diese in ihren Artikeln schon sehr ausführlich und gut begründet wieder. Und zum anderen ist mein Gefühl im Hinblick auf die kurz- und langfristige Perspektive der Falcons viel zu bescheiden, um Fontenot wie ein Kindergartenkind dafür zu loben, dass er gerade die instabile Sandburg verschlimmbessert hat. 

Gleich die nächste Metapher hinterher: Die Falcons-Offseason 2021 war ein Irrgarten. Ein Irrgarten, weil

  • Wir als Fans oft keine Ahnung hatten, was als nächstes kommt
  • Das Front Office vor vielen schweren Entscheidungen an Weggabelungen stand, die sich erst viel später als „richtig oder falsch“ erweisen werden
  • Man am offenen Ausgang (JUSTIN FIELDS) links vorbeigegangen ist
  • Wir das Labyrinth aus Buchsbäumen leider nicht verlassen haben, sondern irgendwo in der Mitte sind, immer noch nicht wissen wie wir rauskommen und das auch noch 1-2 Jahre dauern könnte

Ein Labyrinth, dessen größtes Hindernis gar nicht einmal die großen Buchsbäume sind, über die höchstens Matt Ryan hinüberschauen könnte, sondern dessen größtes Hindernis vermutlich die Cap-Situation darstellt. Ich will hier nur in einem Nebensatz erwähnen, dass all diejenigen, die „Der Salary Cap ist Fake!“ hinausposaunen, sich die Falcons-Situation anschauen sollen, bevor sie diesen Stuss erneut von sich geben. 

Der Cap hat es den Falcons schwer gemacht und Terry Fontenot eine Herkulesaufgabe übergeben – ein bisschen milde bin ich also doch. Und „planlos“ sind sie sicher auch nicht, viel deutet darauf hin, dass 2023 ein entscheidendes Jahr für das neue Front Office wird. Aber doch zweifle ich daran, was dieser Plan ist, denn die Offseason liefert Indizien in viele Richtungen.

Da wäre einmal der Ansatz, dass die Falcons relativ aggressiv win-now gehen – so haben viele Fans, die gegen einen QB-Pick waren, den Draft erklärt und gefeiert. Und in der Tat sprechen die Ryan-Restructure sowie der Pitts-Pick dafür. Aber how the f… kannst du dann Julio traden beziehungsweise diesen Weg einschlagen, wenn du seit Beginn der Offseason weißt, dass Julio weg will? Schon mit Julio wäre es schwer geworden, 2021 ein ernsthafter Contender zu sein, man durfte sich aber durchaus berechtigte Hoffnungen auf eine Power-Offense machen, mit der man mindestens um die Playoffs mitspielt. Ohne Julio? Bleibt eine personell ziemlich durchschnittliche Offense mit der Hoffnung, dass Ryan und Arthur Smith in ihrem ersten Jahr zusammen viele Probleme kaschieren können. 

Dann kann man vermuten, dass die Falcons den Plan hatten, einen Rebuild mit QB-Pick einzuleiten, ihnen die 49ers bei Trey Lance in die Quere gekommen sind und sie Justin Fields einfach nicht so hoch evaluiert haben wie ich das gerne hätte. Aber auch dann stellen sich Fragen: Hätte man sich nicht darum bemühen müssen, an #3 zu kommen, wenn man offensichtlich nur von drei QBs überzeugt ist? Hätte man dann nicht von #4 aus zurücktraden sollen, selbst wenn keine überragenden Angebote mit mehreren First Roundern vorlagen, um Munition für einen künftigen QB-Pick zu sammeln? Und hätte man die Ryan-Restructure nicht zumindest etwas geringer ausfallen lassen können?

Rebuild heißt nicht, dass man Dolphins- oder Jets-like jeden Spieler, der halbwegs Football spielen kann, wegtradet und sich aufs Tanken vorbereitet. Aber Rebuild heißt für mich, dass man sich den Problemen, die einem zukünftig bevorstehen, annimmt, und das haben die Falcons für mich nicht (ausreichend) getan. Gleichzeitig gibt mir die Offseason auch nicht die Zuversicht, dass die Falcons in 2021 und 2022 ein so gutes Team stellen, dass es sich lohnen würde, den Rebuild hinauszuzögern. 

Eine Offense mit Ryan, Julio, Ridley und Pitts hätte das für mich zwar nicht zur 1A-Variante, aber jedenfalls zu einer nachvollziehbaren und zumindest gut anzuschauenden Perspektive gemacht. 

Die Falcons haben nichts Halbes und nichts Ganzes gemacht. Sie haben keinen Julio mehr, wahrscheinlich kein Team das 2021 viel mehr als Durchschnitt sein wird und haben trotzdem immer noch keinen potentiellen Nachfolger für Matt Ryan. Da hilft auch ein absolutes Ausnahmetalent auf TE wenig. Sie sind gefangen im Nirgendwo, ohne vielversprechende kurzfristige und ohne mutmachende langfristige Perspektive. Die Teams, über die man das in der NFL aktuell sagen kann, sind an einer oder zwei Händen abzuzählen. 

Nein, einfach hatte es Terry Fontenot in seinen ersten Monaten als Falcons-GM sicher nicht. Und doch hat er es geschafft, aus einer Offseason, in die er mit zwei immer noch sehr guten future HOFern auf der mit Abstand wichtigsten und der vermutlich zweitwichtigsten Position sowie dem #4th Overall Pick gegangen ist, ein zumindest für mich ziemlich ernüchterndes Ergebnis zu fabrizieren.

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